Richard
von Weizs�cker
Ansprache
zur Verleihung des "Planetary Consciousness World Leadership Prize"
des Club of Budapest an Michail S. Gorbatschow in Frankfurt/Main
am 25. Juni 1997
Mit �berzeugung
und Freude folge ich der Einladung des Club of Budapest, mit einer
Laudatio zu begr�nden, warum Pr�sident Michail Gorbatschow heute
den Preis f�r planetarisches Bewu�tsein erh�lt.
Jahrzehntelang
herrschte zwischen Ost und West der Kalte Krieg. Fast die ganze
Welt war von dem ideologischen und machtpolitischen Konflikt der
Systeme bedroht. Sie lebte unter der Furcht der gegeneinander
gerichteten Vernichtungswaffen. In der Verblendung durch die Konfrontation
wurde die wachsende Interdependenz der Weltentwicklung verkannt.
Da �bernahm
Michail Gorbatschow das Ruder in seinem Reich. Sofort stellte
er an sich selbst und an uns alle eine entscheidende Anforderung.
Er tat es mit dem einfachsten und �berzeugendsten Begriff, der
sich denken l��t: Neues Denken. Zwar hie� es zun�chst fast �berall,
das sei nur ein neues Schlagwort. Aber mit der ihm eigenen Kraft
des Willens, des Gedankens und der Tat und mit seinem beispiellosen
Mut �berzeugte er uns alsbald vom Gegenteil.
Russisch
ist eine sch�ne und musikalische, aber auch schwere Sprache. Dennoch
sind zwei Vokabeln in den Schatz der allgemeinen Verst�ndigung
rund um den Globus eingegangen: Perestroika und Glasnost. Sie
waren es, die Gorbatschow seiner eigenen Gesellschaft verordnete.
Sie zielten auf �ffnung, Selbstverantwortung, menschliche Aktivit�t
und Freiheit.
Gewi� ist
es wahr, da� diese Begriffe, die ja gerade auch dem Ziel der globalen
Wettbewerbsf�higkeit der Sowjetunion dienen sollten, zun�chst
mehr die Desintegration im Paktbereich und im eigenen Riesenland
herbeif�hrten, anders als gedacht, und da� ihr Initiator daf�r
vor allem zu Hause bis heute lebhafter Kritik ausgesetzt ist.
Er hatte wohl auch dem System seines Landes eine Reformf�higkeit
zugetraut, die sich schlie�lich als �berforderung erwies.
Im Sinne
einer tieferen Wahrheit aber hat Gorbatschow mit seinem neuen
Denken der ganzen Welt zu einer entscheidenden Entspannung und
Bewu�tseins�nderung verholfen. Seinem tatkr�ftigen Handeln ist
eine Entideologisierung in den internationalen Beziehungen zu
danken. Er war es, der das Recht der Menschen und V�lker auf Selbstbestimmung
bejahte und in seinem Machtbereich gegen massive Widerst�nde gew�hren
lie�.
Mit seinem
Namen verbinden sich fundamentale historische Erneuerungs-prozesse.
Er wurde schlechthin zur Schl�sselfigur f�r revolution�re Ver�nderungen
mit fast durchweg friedlichen Mitteln. Zu seinen ersten entscheidenden
Leistungen z�hlte es, die sogenannte Breschnew-Doktrin aufzuk�ndigen,
die den sozialistischen Staaten nur eine beschr�nkte Souver�nit�t
und der Sowjetunion ein allgemeines Interventionsrecht zuerkannt
hatte. Dadurch machte er mit dem Selbstbestimmungsrecht ernst.
Jedes sozialistische Land sollte nun nach eigener Ma�gabe seine
Entwicklung selbst bestimmen k�nnen. vielleicht erinnern Sie sich
daran, da� der au�enpolitische Sprecher in Moskau, Gennadi Gerassinow
damals f�r diese Ma�nahme den Namen Sinatra-Doktrin pr�gte, gem��
dem bekannten Klassiker von Frank Sinatra "My way". Gorbatschow
war es, der die dringende Notwendigkeit erkannte, Sicherheit im
atomaren Zeitalter zur gemeinsamen Aufgabe der Staaten zu machen.
Es galt, die Gewalt als Mittel der Politik auszuschlie�en.
Hatte es
kurz zuvor zwischen den Bl�cken und insbesondere den Superm�chten
noch ein massives Wettr�sten gegeben, so war es Gorbatschow, der
nun mit Entschlossenheit auf den umgekehrten Weg zusteuerte. Er
begn�gte sich aber nicht mit den schon allzu oft ergebnislos wiederholten
Forderungen nach Abr�stung, sondern begann mit einseitigen Vorleistungen
der Abr�stung den Westen unter Druck zu setzen, nicht ohne Erfolg.
Als er sich mit Pr�sident Reagan 1986 in Reykjavik traf, ging
es nun pl�tzlich zwischen den Superm�chten auf dem Weg der Abr�stung
rasch voran, rascher, als es den Beratern des amerikanischen Pr�sidenten
zun�chst noch geheuer erschien.
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