Handbuch
der Wirtschaftsethik
Sind
Wirtschaft und Ethik vereinbar? Oder scheuen sie sich wie
der Teufel das Weihwasser? Landläufig wird die gesellschaftspolitische
Diskussion momentan beherrscht von der vereinfachten Vorstellung
eines neo-liberalen Weltwirtschaftssystems, daß nach
dem Ende des real existierenden Sozialismus die Weltherrschaft
angetreten habe. Im Zuge der Globalisierung zerstörten
wirtschaftliche Interessen immer mehr gewachsene Strukturen
politischer, gesellschaftlicher und kultureller Art, um
an die Stelle derer ethischer Werte einen einzigen anderen
Wert zu setzen: den Mehrwert. Die Umwelt schließlich
leide international unter der beschleunigten Produktivitätssteigerung
besonders. Auf eine einfache Formel gebracht: Mehrwert vs.
Wert(e).
So
vereinfacht diese Argumentationslinie, ob aus kommunitaristischen,
kirchlichen, linken, postkolonialen, nationalkonservativen
oder kulturellen Überzeugungen gespeist, gelegentlich
auch erscheinen mag, viele soziale und ökologische
Fehlentwicklungen lassen sich nicht wegdeuten. Der Markt
und mit ihm die Wirtschaft funktionieren nicht per se und
von alleine, ohne begleitende Maßnahmen, zum Vorteil
aller. Sucht man heute Antworten jenseits von Verteufelung
jedweden Profits auf der einen und der Verteidigung der
eigenen ökonomischen Überlegenheit auf der anderen
Seite, helfen normal sterblichen Lesern die Kaffeesatzdeutereien
selbst etablierter Tages- oder Wochenzeitungen beim Verständnis
globaler Wirtschaftszusammenhänge meist nur geringfügig
weiter.
Lohnenswerter,
wenn auch wesentlich komplizierter und arbeitsintensiver,
erscheint hingegen die Beschäftigung mit dem Ende 1999
erschienenen Handbuch der Wirtschaftsethik, herausgegeben
im Auftrag der Görres Gesellschaft im Gütersloher
Verlagshaus. In für den deutschsprachigen Raum bisher
einmaliger Art werden in komprimierter Form aus der Sicht
von Wirtschaftswissenschaftlern, Betriebswirtschaftlern,
Wirtschafts- und Sozialethikern die Verflechtungen von wirtschaftlichem
und ethischem Verhalten sowohl mikro- als auch makroökonomisch
untersucht.
In
vier Bänden auf über 2000 Seiten wird der Bogen
von einer grundsätzlichen Verhältnisbestimmung
der beiden Pole Wirtschaft und Ethik (Band1) gespannt über
die Frage, welche nationale und internationale Rahmenordnungen
heute noch - oder wieder -gebraucht werden, um globale Wirtschaft
nicht zum unkontrolliert eskalierenden Eigenläufer
werden zu lassen (Band2), über die Implikationen betriegswirtschaftlichen
Handelns für ethische Fragestellungen und vice versa
(Band3) bis hin zur Diskussion einzelner konkreter Handlungsfelder
(Band4). So rückt die Philosophie aus ihrem Elfenbeinturm,
indem sie sich in Richtung angewandter Ethik bewegt, während
die Wirtschafts- und Betriebswirtschaften über ihren
Tellerrand hinausgucken und andere Maximen als die der Profitmaximierung
zum Maßstab ihrer Überlegungen machen.
Endgültige,
heilsbringende Lösungen sind nach dem Ende der großen
sozialen und politischen Utopien nicht ernsthaft zu erwarten.
Um so wichtiger sind Fragestellungen und Lösungsansätze,
die lokale Ereignisse und Entwicklungen in globalen Zusammenhängen
begreifen und dem Leser begreifbar machen. Das Handbuch
der Wirtschaftsethik deckt, ohne Vollständigkeit in
seinen Ansätzen oder Fragestellungen erreichen zu können/wollen,
dennocoh eine Vielzahl wichtiger Fragestellungen ab, seien
sie konkreter oder theoretischer Art. Aber was heißt
schon theoretisch? Ohne das Verständnis komplexer struktureller
Zusammenhänge und Hintergründe drohen populistische,
kurzfristige Lösungen globaler Probleme den Meinungsbildungsprozeß
und die politische Entscheidungsfindung zu dominieren.
Vorbildlich
ist deshalb die ausfürliche Behandlung grundlegender
Begriffe der Ethik wie auch der Wirtschaft im Handbuch gelungen,
Begriffe die feuilletonistisch häufig inflationär
benutzt werden, ohne daß damit üblicherweise
ein genaues Verständnis ihrer Bedeutung oder besser
gesagt ihrer miteinander streitenden Bedeutungen vermittelt
würde. Was verbirgt sich hinter Termini wie Bedürfnis,
Eigentum, dem Begriff der Arbeit, der Bevölkerungsentwicklung
aber auch ethischen Begriffen wie Nachhaltigkeit, Interdependenz,
Werten oder Folgenbewertung?
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